Da müssen wir echt noch mal ran gehen.
Für das Erste kann ich mir bis jetzt nur vorstellen, der steht vorm Spiegel - so in der Situation, des morgendlichen Wasch- und Rasierrituals und - sieht sich. Sein verkehrtes und entfremdetes Leben. Er erkennt, dass er eigentlich eine zweite Chance bräuchte. Entweder drückt sich Sehnsucht zurück nach der eigenen Kindheit aus... oder er hofft in Echt, dass es noch mal eine Kindheit geben wird. Das wäre ja noch eine Steigerung. Im Ersten Falle hätte es etwas von Regression. Im zweiten --- das ist komplizierter... (wäre dann aber mehr als nur vielleicht Allmachtsfantasie oder ein Krankheitssymptom...)
He waves goodbye to his self.
Another man moved by slight of hand.
Waves klingt ein bisschen befremdlich. Ich glaube zwei mal ist "Surfersprache" im Text. Aber da muss man gucken. Die erste Zeile bedeutet soetwas wie, dass er sich von seinem (wahren) Selbst verabschiedet. Das ist vielleicht auf der anderen Seite des Spiegels. Diese Vorstellung kann man haben. Im Dorian Gray ist es übrigens ein Gemälde, das das wahre Selbst des Helden, der anscheinend nicht altert und immer "schön" bleibt, zeigt. Den Zerfall zeigt dort das Bild. Hier ist das natürlich anders...
The other Side kann aber auch bedeuten, dass der Text eine zweite Realität annimmt, in der vielleicht eine zweite Kindheit möglich ist. Eine Realität, die nicht von den Zwängen regiert wird.
Das wäre in dem einen Fall dann die Stelle, wo der sich fertig gestiefelt und gespornt auf dem Absatz umdreht und sein Tagewerk beginnt. Angesichts der tiefen Verzweiflung, die sich "vor dem Spiegel" ereignet hat, wirkt das, was passiert, wie Zauberei. Der geht mir nichts dir nichts als anderer von dannen und funktioniert einfach, macht seine Jobs. Um den Preis der Zerspaltenen Persönlichkeit.
Ansonsten hätte er sich an dieser Stelle aus der Welt schaffen müssen.... Aber - siehe Anfang hier.
Übrigens dieses - sich Wiedersehen Wollen - auf der anderen Seite - beinhaltet den Traum von der heilen Persönlichkeit, von der Aufhebung der Spaltung. Wo ist das möglich? In einem zweiten Leben?
Hier ist die Situation gezeigt, wo der als "faceless man" von dannen geht. Das ist kein gesellschaftskritischer Text im üblichen Sinne. Aber die darin aufgehobene Anklage ist doch schon ganz schön heftig.
Und dann ist die Frage, inwieweit das alles bewusst abläuft. Der Text ist schon sehr dicht bei dem, den er darstellt. (Erzählperspektive). Es kommt der dargestellten Person eine Menge zu Bewusstsein während dieses Ritual des Waschen und Ankleidens, diese täglichen Automatismen ablaufen. Wo ist der Punkt, wo er sich entscheidet? So nach dem Motto - "Scheisse, ist doch nur noch in einem neuen Leben möglich" ... Oder soll man sich das so vorstellen, dass der Traum von dem heilen Selbst einfach vielleicht nur im Spiegel erscheint??? - Ja, wir müssen an den Zaubertrick, den Taschenspielertrick denken. Ich denke mal - wenn es Entscheidung wäre, diese Sehnsucht zu
verdrängen, dann wäre der Dargestellte nicht krank. Aber ich glaube, es soll hier schon ein Krankheitsbild gezeigt werden. Ein hoher Preis, den dieses System abverlangt. Abverlangen kann.
Ich frage mich, ob dieser Mensch, der hier dargestellt ist, heilbar, therarpierbar wäre. Ich denke mal ja. Er sieht ja viel, aber - es erreicht ihn alles nicht wirklich...
H.
Unter Vorbehalt. Das sind bis jetzt nur Überlegungen... (da fehlt noch ne ganze Menge von dem Text...die ganzen Vergleiche, Metaphern im Mittelteil.)