Ja liebe Freunde der Blasmusik, in einem Moment des Innehaltens und Abspielens der Bilder der einzig historisch gelungenen friedlichen Revolution 1989 in Deutschland, muss ich sagen, es ist immernoch ein Kribbeln im Bauch.
Ein Gefühl der positiven Erregung, wie damals, als ich in meiner Heimat, zusammen mit meiner Familie, die Nachrichten der Aktuellen Kamera verfolgte.
Im Hinterkopf hatte man , dass 1953 ein ähnliches Aufbegehren mit Gewalt niedergeschlagen wurde. Sogar bei uns auf dem Schacht fuhren Panzer auf. Und was passierte jetzt?
Man sah Bilder von Menschen die die bundesdeutsche Botschaft in Prag enterten, in Leipzig auf den Strassen standen und schliesslich nach Westberlin fluteten.
Alle Leute um mich rum veränderten sich. Ich selbst war ja noch ein Stift. Aber man kann auch mit 14 kombinieren.
Zum Schluss waren alle nur noch unzufrieden. Mir selbts fehlte die Demokratie selbstverständlich noch nicht, mir ging es eher um materielle Schleusen, die sich eventuell öffneten.
Irgendwie war das aber auch komisch. So viele die einfach in den Westen gingen, alles im Stich ließen.
In der Jakobi-Kirche zu Hause war ich in den Tagen mal mit drin. Die war randvoll. Ich bin dann mit hoch auf die Empore gespült worden, mit einem fabelhaften Blick auf die Redner. Was die dann (professionell mit Mikro und so...) erzählten, konnte ich nicht glauben. Es ging um Stasikonfrontationen und die Pespektivlosigkeit in der DDR.
Wo ich doch nun noch überhaupt keine Brührungspunkte hatte. Ich war 8. Klasse, kurz vor den ersten Wehrlagererfahrungen. Ein Fachgymnasium wo man Berufsabschluss mit Studium kombinieren kann, vor der Nase. Sprich, ich war in dem Alter, wo man bisher nur Gutes erfahren hatte, wo es ernst geworden wäre. Die Pionierzeit und die FDJ waren bis dato nicht verwerflich, denk ich.
Ich hab noch Jahre gebraucht, um alles/alle zu verstehen.
Aber eines sag ich euch, die Einheit war für mich nicht irgendwann 89 oder im Oktober 90, sondern wo Andi Brehme am 08.07.1990 in Rom den Elfer versenkte. So ein Freudenfest hab ich in meiner Siedlung noch nie und nie mehr erlebt. Alle lagen sich in den Armen. Überall stiegen Silvesterraketen hoch. Auch Fussballlaien feierten als obs keinen Morgen gab. Die deutsche Mannschaft war ein Instrument der Verbundenheit in jenen Tagen. Des aufkeimenden Nationalbewusstseins für Gesamtdeutschland.
Aber auch die familiäre Art wildfremder Leute war beeindruckend. Es gab defakto keine Befremdlichkeit. Alle sassen in einem Boot. Bei meiner ersten Fahrt in den Westen sassen viel zu viele Menschen in einem Sonderzug nach Goslar. Meine Familie hockte auf dem Drehgelenk. Überall spiegelte sich freudiges Erwarten und Freundlichkeit in den Gesichtern. Eine Bäckerin in Goslar schenkte mir zwei Dickmänner, als sie sah, dass ich nur 50 Pfennige hatte und von den Preisen, ja nun etwas überrascht war. Ach es gab noch viele positive Erfahrungen.
Was ich sagen will, nach all den Jahren hat sich alles abgeflauht. Etwas schade, wie ich finde. Persönlich hab ich nie schlechte Erfahrungen gemacht. Dennoch gibt es Grabenkämpfe, Unzufriedenheit und Vorurteile.
Wenn wir allerdings zurücksehen, muss man erkennen, dass uns vergönnt war, etwas in der Geschichte einzigartiges/ grossartiges erlebt zu haben. Damit bin ich wieder bei diesem Kribbeln angelangt.
PS.: Wer weiss, ob ich überhaupt mal was von Pearl Jam mitbekommen hätte. Mein einzig empfangbarer Westsender in jener Zeit war HR3. Und die spielten/spielen ja bekanntlich mehr Pop als gute Musik.