ein angenehmeres Thema:
Ich möchte an dieser Stelle - erst mal - einige Beispiele aus dem, was ich schon manchmal Mythen des Alltags genannt habe, einfügen, um die Passage über den Raubtierkapitalismus, (die ja noch nicht ganz klar ist) zu vergleichen. Also: Wie verständigt Hollywood sich selbst und uns über "Auswüchse" des Kapitalismus, oder des Spätkapitalismus?
Ein Beispiel habe ich schon bei der Interpretation von "Soon Forget" herangezogen: "Email für dich".
Der Bücherladen um die Ecke, wo die Kunden individuell beraten werden, wo der Spruch gilt, "sage mir was du liest und ich sage dir, was du bist", muss der Billig-Bücher-Kette weichen. Wird letztlich sehr versöhnlich dargestellt. Nach dem Motto, Wandel ist immer gut.
Bei diesem Thema weicht der Film übrigens am meisten von seiner Vorlage ab. Bezeichnend. Dass Wirtschaften dort als Spiel dargestellt wird, habe ich schon gesagt. "Es ist nicht persönlich". "Geh auf die Matratze" ist der Ausdruck für kämpferisches Engagement - auch wieder durch Film vermittelt. Was ich mich immer frage: Frank ist in dem Film der Repräsentant des Ostküstenintellektuellen neuerer Art. Heidegger wird von ihm zitiert, und das scheint wichtig zu sein: Er ist Schüler oder Anhänger von Michel Foucault. Allerdings scheint mir diese Schicht aus dem Film völlig abhebbar, entfernbar zu sein, ohne dass sich grossartig was verändern würde. Oder ist hier die Ursache für den Gebrauch der Kapitalismus-als-Spiel-Theorie zu suchen?
Später heisst es in dem Film: Du hast sie zur Sozialhilfeempfängerin gemacht. Einen Job bietet Joe ihr trotzdem nicht an, weil er nicht sieht, dass sie.... Also hier geht es wieder um das Thema Wandel und Chancen und neue Möglichkeiten, die das Individuum für sich daraus entdeckt. Kommt einer Befreiung gleich??? Amerika. Natürlich dürfen sich nur zwei völlig unabhängige Individuen zusammen tun. Darauf besteht Hollywood. Das ist der ideologische Schleier.
Alle Personen sind völlig sympatisch. Auch die drei Generrationen der Fox-Firma. Der Film stellt das, was wirtschaftlich passiert also als notwendigen Fortschritt und Erneuerungsprozess dar, den man einfach nicht so ernst nehmen muss - und ist damit völlig systemkonform, system-stabilisierend. An der Kasse im Supermarkt ist Dein wirtschaftlicher Feind wieder Dein bester Freund. Wenn man positiv denken will, eine Unterweisung in zivilisierten Umgang. Aber, wenn es an die Existenz geht - auch noch? Als ob die Legende vom Land der 1000000 Möglichkeiten jemals gestimmt hätte. An einer Stelle im Film hat sie das Messer in der Hand. Hier kann man sich das Lachen wirklich nicht verkneifen, ist wirklich witzig gemacht.
Oder "Pretty Woman" (natürlich von 1990). Job der männlichen Hauptfigur, die im Luxus lebt, allerdings Luxus nicht geniessen kann, ist das aggressive Übernehmen und Aufkaufen maroder Firmen und Konzerne. Diese Einheiten werden dann zerstückelt, verscherbelt und zerstört. Hollywood versucht das immer als individuellen Entwicklungsprozess hinzustellen. Edwards Traumberuf wäre es gewesen, Pianist zu sein. Wegen seiner völlig zerrütteten Beziehung zu seinem Vater, dessen Lebenswerk er am Ende ebenso vernichtet hat, ist er geworden, wie er ist.
Und er ist zum Teil auch der typisch kapitalistische Asket im Weberschen Sinne.
Erst, als ihm die weibliche Hauptfigur hilft, Lieben, Leben und Geniessen zu lernen, entwickelt er Verantwortungsgefühl und wird zum Unternehmer im eigentlichen Sinne, der auch etwas herstellt, nicht nur zerstört.... und steht barfuss im Park.
Auch hier das Thema des zivilisierten Umgangs: Vergleiche das Essen mit den geschäftlichen Feinden. Am Tisch sitzen sich eigentlich Todfeinde gegenüber. Wegen der Dame und den Tischsitten, die obendrein noch zum Thema gemacht werden - geht man sich nicht gegenseitig an die Gurgel....Wirklich märchenhaft.
spätere Ergänzung: Pretty Woman steht erzählerisch in der Tradition des Pygmalion-Stoffes. Warum beide Personen sich (angeblich) brauchen, bringt die Opern-Besuch-Scene "auf den Punkt". Edward mit seinem von der Mutter wohl ererbtem Hang zur Musik und seinem Musikstudium sitzt dort also mit seiner in rot gewandeten, bildschönen Begleiterin in der Loge. Sie hat "keinen Schimmer" von dieser Musik. Er sagt ihr, die Musik sei eindrucksvoll. Manche würden aber wohl nie dadurch angesprochen werden .... Und bei ihr kullern hinterher die Tränen. Sie ist hingerissen. Auf die Frage einer älteren Dame, wie es ihr gefallen habe, sagt sie, sie hätte sich fast eingepinkelt. So ungefähr. Da trifft also ein ursprüngliches Erleben, eine Vitalität, die unverdorben ist, auf eben diesen Edward, der durch Bildung und Kenntnisse das alles schon garnicht mehr erleben und geniessen kann. Er braucht, so stellt es der Film heraus, diesen Gegenpol, um eigentlich wieder leben zu können. (Ein Theaterstück gibt es in der Tradition des Stoffes, das eher emanzipativ ist, als dieser Film hier: "Teaching Rita".
(zurück zum Thema:)
Auf dieselbe Art verständigte sich Hollywood schon 1960 mit seinem Publikum (und sich selbst): Cash McCall (1960) von Joseph Pevney mit James Garner und Nathalie Wood. Die Hauptfigur macht denselben Job wie Edward in "Pretty Woman" - Lösung: dieselbe.
Dasselbe gilt für einen Film, den ich eigentlich sehr "süss" finde. "Hilfe, ich habe eine Familie!" Auch hier wird der Unternehmer, der das Geschäft seines Lebens machen will, indem er seine ganze Firma verkaufen will, durch Liebe, Ehe, Kind zum verantwortungsvollen Unternehmer, der auch für seine Mitarbeiter sorgen wird. Beim ursprünglichen Plan wäre die Produktion ausgelagert und fast alle Mitarbeiter entlassen worden. Der Film äussert sich schon recht deutlich zur Frage, wie man einen Unternehmer erzieht. Auch hier wird der Vater-Sohn-Konflikt, der die männliche Hauptperson belastet, im Laufe des Films "gelöst". Der Sohn erkennt die Grenzen des Vaters, er muss ihn nicht mehr übertreffen. Als sie auf der von ihr improvisierten Weihnachtsfeier sich nach ihm umsehend in der Belegschaft verschwindet, und er sie vergeblich ruft, ist klar, dass er sie nicht haben kann, wenn er den Betrieb verkauft.
Ich habe noch ein Beispiel: "Das Geld Anderer Leute" von Norman Jewison mit Danny DeVito, Gregory Peck, Penolope Ann Miller - natürlich von 1991. Den würde ich gerne etwas näher begucken.
Schon jetzt kann ich sagen, dass die Aussagen, die diese Hollywoodfilme zu dem Thema ablassen, versteckt unter Humor und verkauft mit Liebesgeschichten, eigentlich völlig unzureichend sind. Man löst das Problem auf der Ebene der Wertediskussion. Und das vergleichen wir dann noch mal mit unserem Song hier. Natürlich sind das alles Komödien. Damit ist genrebedingt schon eine versöhnliche, märchenhafte Lösung vorgegeben.
Wird weiter bearbeitet.
"Das schwebt mir schon länger vor", ist jetzt allerdings in ziemlicher Hast geschrieben worden. Ich bin jetzt auch noch nicht völlig sicher, ist erst mal ein Versuch.
Kein Zufall, dass die meinsten Filme in den 90er Jahren entstanden sind. Und sie sind alle zutiefst affirmativ.
H.