IMO krankts in Deutschland an folgenden Punkten:
1. Das Sozialsystem....es hat in Wirtschaftswunderzeiten herrlich funktioniert.
Ja und Nein. Das System hat mal funktioniert, allerdings funktioniert es jetzt schon seit bestimmt 25 Jahren nicht mehr. Aber die vormaligen Regierungen haben gekniffen und lieber weiter auf Pump gelebt. Nicht nur das, die Ausgabenseite ist immer weiter gestiegen. Gründe dafür sind u.a. die Raffgier der Pharmaindustrie, der Ärzte und Apotheker. Die Krankenkassen haben mit einem unglaublichen Verwaltungsapparat das ihrige dazu getan. Jetzt haben sich alle einen Status gesichert, von dem sie keinen Millimeter abrücken wollen. Die Lobbies sind inzwischen auch stark genug, dass sie es nicht müssen. Würde an den richtigen Stellen operiert, wäre das System auch heute noch haltbar und effektiv. Aber die Mehrbelastung der schwächsten in der Kette ist halt gewollt.
Man stelle sich mal vor: Durch die "Gesundheitsreform" werden nach einhelliger Ansicht vor allem die Pharmaproduzenten geschont. Die gefürchtete Liste mit wirksamen Medikamenten konnte die Lobby verhindern. Auch sonst entsteht nur eine geringe Mehrbelastung. Trotzdem hat zB "Aventis" die Frechheit, mit dem Weggang aus Deutschland zu drohen und den Abbau von 500 Arbeitsplätzen anzukündigen, weil die Gesundheitsreform angeblich einen zweistelligen Millionenbetrag kosten würde. Wer sich mal den Spaß macht und bei Google News nach "Aventis" sucht, wird feststellen, dass keine drei Wochen vor dieser Meldung eine Gewinnsteigerung von 28 Mio Euro im letzten Jahr verkündet wurde.
Das ist nur ein Beispiel. Eins von vielen. Wir werden verarscht ohne Ende. Macht Euch mal den Spaß und sucht bei Google erst nach "Rekordgewinn", "Umsatzsteigerung", "Gewinnsteigerung" oder ähnlichem und dann nach "Arbeitsplatzabbau", "Entlassungen", etc.
Ihr trefft ohne Mühe auf dieselben Unternehmen. Und die haben dann noch die Frechheit, über zu hohe Steuern und Sozialabgaben zu meckern.
Daran krankt es Deutschland. An Unternehmen, die sich noch ihrer Verantwortung bewusst sind. Heute zählt nur noch die Gewinnmaximierung. Gesellschaftliche und soziale Verantwortung sind in den Hintergrund geraten.
Bevor hier aus dem rechten Lager Rufe wie "Kommunist" oder ähnliche Dinge kommen will ich folgendes klarstellen: Ich halte absolut nichts vom Kommunismus. Kommunismus ist ein Extrem und Extreme sind nie gut. Gleichzeitig ist die unkontrolierte Marktwirtschaft (oder auch Kapitalismus) genauso ein Extrem und ebenso schädlich.
Was mich schockiert ist, dass wir diese Entwicklung doch in den USA genau mitbeobachten konnten und heute sehen, wohin die Beschneidung der Sozialsysteme, die Massenentlassungen und die unbändige Gier geführt haben. Ich verstehe nicht, wieso wir für Deutschland dasselbe anstreben. (Bei dieser Gelegenheit: schoopman, wie kommst Du darauf, dass der Arbeitsmarkt in den USA besser ist? Was für Zahlen hast Du? Oder meinst Du das , weil so viele Leute in den USA gleich zwei Jobs haben?)
Insofern, da wir grad bei den USA sind, auch ein Wort zu Moore. Ich hab mir den Link angeschaut und finde ihn absolut lächerlich. Wenn das wirklich alles sein soll, dann hat Moore wirklich sehr gute Arbeit geleistet. Selten eine so gut recherchierte Story gelesen.
3. Euro und EU.....Wenn einer zahlt dann ist es Deutschland.
Jau, die EU ist wirklich schweineteuer. Trotzdem hat sie viel gebracht, auch für Deutschland. Sie ist auch nicht mehr wegzudenken. Jedenfalls muss man nicht glauben, dass die wirtschaftliche Lage in Deutschland besser wäre, wenn es die EU nicht geben würde.
Noch ein paar Worte zu den Steuern. Alle jammern, jammern, jammern. Ich zahle auch nicht gerne Steuern. Aber ich zahl sie. Würden das alle machen, wären die Steuern sehr viel geringer (btw im internationalen Vergleich sind sie im Mittelfeld und nicht an der Spitze). Stattdessen ist Steuerhinterziehung in Deutschland ein Kavaliersdelikt. Durch Umsatzsteuerbetrug entgehen Bund und Länder jedes Jahr 35 Milliarden Euro!! Aber die in Berlin sind nicht in der Lage, die Gesetze entsprechend zu ändern. Gleiches gilt für Steuervergünstigungen und Subventionen. Alle regen sich über Florida-Rolf auf, darüber, dass zahlreiche Unternehmen "Sozialhilfe" (die dann natürlich anders heißt) kriegen und als Dank mit der Abwanderung ins Ausland und Entlassungen drohen, spricht niemand.
Wenn jeder Arbeitsplatz in der Kohleindustrie mit 61.000 Euro jährlich gefördert wird, kann irgendwas nicht stimmen.
Aber was soll's, schaffen wir doch lieber die Förderung für Windkraftanlagen wieder ab, machen uns weiter abhängig vom Öl und bauen noch ein paar neue Atomkraftwerke. Ganz zu schweigen davon, dass sich Deutschland in einer Zukunftsbranche aus dem Rennen katapultiert.
Es ist einiges faul im Staate Deutschland. Und ich bin zur Zeit ziemlich verbittert. Wahrscheinlich auch, weil ich von den Änderungen stark betroffen bin. Ich wäre bereit dazu, den Gürtel enger zu schnallen, wenn ich sehen würde, dass die Belastung gerecht auf alle Teile der Gesellschaft verteilt würden. Aber sie gehen einseitig zulasten der sozial schwachen und derer, die keine Lobby hinter sich haben. Das frustriert.
Sorry, musste ich mal loswerden.