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Tremor Christ Interpretationen

Hajü

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Antwort #15 am: 17. Februar 2004 um 02:37
Hallo

Das hier Folgende ist vom Refrain eingeschlossen, umrahmt
Muss wohl sehr wichtig sein:
Ransom paid the Devil...He whispers pleasing words...
Triumphant are the angels if they can...a get there first...

Wenn in dieser Sprache die SPO-Regel so wichtig ist, dann ist the Devil Dativ oder Accusativ. Lösegeld zahlte, bezahlte den Teufel. Er flüstert befriedigende Worte.
.....

Hier sind wir im kirchlich klerikalen Lexikon, Bilderstrang des Textes.
Mir fällt hier etwas aus einem Disney-Comic ein. Goofy, der links ein Goofy-Engelchen und rechts ein rotes Goofyteufelchen auf der Schulter hat. Beide flüstern im ins Ohr.

Wahrscheinlich, nein sicherlich ist so etwas gemeint. Es gibt auch eine Geschichte im neuen Testament, die wir alle kennen. Jesus wird in der Wüste vor seinem Auftreten in der Öffentlichkeit in Versuchung geführt. Ich glaube, da tauchen auch die Engel auf, aber vorteilhafter gestaltet als hier.

Noch etwas muss man sagen: Der einzige Preis, das einzige Lösegeld, das der Teufel unserer Kenntnis dieser Mythen und Geschichten nach akzeptiert, ist doch der der Seele. Seelenverkäufer - ach, das ist ja ein Schiff. Der Teufel will den Teufelspakt machen. Gegen materielle und andere Vorteile verkauft man seine Seele und verliert jegliche Chance auf ...

Whispers und Triumphant betont den Gegensatz zwischen Engeln und Teufel. Der Teufel ist ein Versucher, ein Schleicher, der hinten herum kommt. He whispers.
Die Zeile mit den Engeln ist auch sehr interessant. Wirken die hier nicht wie Schaumschläger und Angeber?:

Triumphant are the angels if they can...a get there first...

Der Satz, die Zeile vorher zeigt schon einen funktionierenden Teufelspakt. Der Handel ist gleichsam schon abgeschlossen.
Hier tauchen wie in dem Gorgeous oben die Engel Triumphant auf.
Genaue Parallele zu dem Auftreten von Christus. Attribut steht vorweg.

Nun ist diese Zeile ein Conditionalsatz, der ziemlich - syntatktisch zertrümmert wirkt. Die Wirkung vom triumphierend wird vernichtet durch dies - if. und was dann folgt.

Der Teufelspaktsatz ist synthaktisch dagegen intakt. Hier wird deutlich, dass die Waage sich schon sehr zugunsten des Teufels geneigt hat.
Die Chance auf Rettung, Erlösung scheint sehr sehr klein, unmöglich zu sein.
Indem die Engel zuerst kommen, können sie triumphieren - aber der Teufel ist schon längst da, der Pakt funktioniert schon. Aber scheinbar gibt es die Wahl zwischen dem auf der rechten und dem auf der linken Schulter.  Deshalb folgt

nach dem Refrain das

I'll decide.

Auch das hier verwendete Future kann Vieles bedeuten: Ich entscheide morgen. Ich werde ganz bestimmt entscheiden. Aber dann muss man sich die letzten Zeilen angucken.

Ein änlich zertrümmerter Satz steht oben in dem Text: daily taste the salt of her tears, but...a chance blamed fate..

Durch die ähnliche Struktur werden die Zeilen - oder Zeilenteile gleichsam verklammert. - Auch inhaltlich gehören die zusammen.

Ich muss Schluss machen
So long

Gast

Hajü


Hajü

  • Gast
Antwort #16 am: 17. Februar 2004 um 12:38
Hallo

Noch eine Beobachtung

Etwas drängt sich förmlich auf:

smallest oceans

Little .... Quake

signs ... lies

und in dem "Kielwasser" dieser Figuren werden die Begriffe Time und Life
auch wie Gegensätze behandelt.

Es gibt glaube ich auch Bezeichnungen für dieses sprachliche Mittel. Paradoxon heisst es glaube ich in der Rhetorik.
Gegensätzliche Attribute, Kontraste werden kombiniert.

Wenn jetzt life und time als Gegensätze zu verstehen sein sollen,
wie ein Paradoxon behandelt werden, das bedeutet doch, dass Life hier für ewiges Leben steht, wir wüssten zumindest in der einen Zeile ziemlich genau, wer angesprochen wird mit "nimm meine Zeit - und nicht mein Leben" - the devil.
Take my time...not my life.. Nicht als Gegensatz betrachtet, würde der endliche Aspekt des Lebens betrachtet, betont werden.

Ach so: Wieso sind sign und lie Gegensätze? Ich kann das einfach nicht anders verstehen: Hier ist von dem die Rede, nach dem z. B. die Auguren in Rom Ausschau hielten. Handlungen, Entscheidungen wurden abhängig gemacht von der Art wie die Vögel flogen. In der Bibel gibt es so etwas. Deuten nicht bestimmte Sekten Zeichen, um den genauen Zeitpunkt der Apokalypse bestimmen zu können?
Der Seher versteht es, Zeichen zu sehen und zu deuten.
Ein Zeichen wird a priori für wahr gehalten. - Obwohl es Glaubenssache ist. Oft belächelt man so etwas auch als Aberglaube.

Ach, wie konnte ich das vergessen: "believe in lies" ist natürlich selbst so ein Paradoxon. Bestandteil der obigen Liste.

Noch etwas: Der Text ist von der Gruppe selbst???
Noch etwas: Das bedeutet alles nicht, dass es sich um einen christlichen Text handelt!!!!!!!!!!

Gast

Hajü





Hajü

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Antwort #17 am: 17. Februar 2004 um 13:30
Hallo

Ich muss das obige etwas einschränken. Möglicherweise ist dies Take my time nicht Imperativ, Befehlsform, es ist auch möglich, dass alle Verben in den ersten drei Zeilen dieser Strophe von diesem I`ll - ich werde abhängen. So kann man es auch verstehen. Wir brauchen weitere Beobachtungen.

Dieser Text "hat es echt in sich" - da kann man sich "die Zähne dran ausbeissen".

mfg

Hajü
Gast


Offline stupidmop

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Antwort #18 am: 17. Februar 2004 um 13:56

Dieser Text "hat es echt in sich" - da kann man sich "die Zähne dran ausbeissen".

ja, vor allem du  ;)


Hajü

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Antwort #19 am: 17. Februar 2004 um 15:14
Ich weiss das ja alles garnicht - Habe ich eben zufällig entdeckt.

Spießrutenlauf gegen Bush

Eddy Vedder hat während eines Konzertes US-Präsident Bush drastisch kritisiert. Dutzende Fans verließen daraufhin die Veranstaltung.

04. April 2003

Bewunderung

H.


Offline Steffen

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Antwort #20 am: 17. Februar 2004 um 15:50
Na dann herzlich willkommen als Pearl Jam Fan!

Dann wird Dir dieser Text bestimmt auch gefallen...
http://www.pearl-jam.de/index.php?board=14;action=display;threadid=814

Aber Eddie bitte nie wieder mit Y schreiben...  ;D


Hajü

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Antwort #21 am: 17. Februar 2004 um 22:26
 :)
Na dann herzlich willkommen als Pearl Jam Fan!

Dann wird Dir dieser Text bestimmt auch gefallen...
http://www.pearl-jam.de/index.php?board=14;action=display;threadid=814

Aber Eddie bitte nie wieder mit Y schreiben...  

;D  :D

Danke

H.




Hajü

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Antwort #22 am: 17. Februar 2004 um 23:31
Hallo

Little secrets, tremors...turned to quake...
The smallest oceans still get...big, big waves...

Der Refrain - umschliesst die Versucherscene, verknüpft beide Bilderstränge: maritim/nautische Begriffe, Worte, und das Klerikal, kirchliche Vokabular. Sekrets - Geheimnisse wird aus dem Kontext heraus eher Mysterium bedeuten.
Secrets und Tremors scheinen gleichgesezt (Aufzählung). Damit erhält Tremors schon eine religiöse Beleuchtung. Quake könnte ein geologischer Begriff sein, taucht aber auch in der Bezeichnung Quaker zum Beispiel auf. Der Übergang zur zweiten Zeile des Refrains liegt in dem Quake vor.

In den Schlusszeilen ist die Anordnung genau andersherum zuerst die maritim/nautische Zeile, dann die abstrakteren Begriffe - klerikal kirchlicher Art. Beide: Refrain und Schlusszeilen beinhalten das Verb turn

Artistisch: Wie die Wende so dargestellt, gestaltet wird.

Ich finde, dass der Song, das Gedicht, der Text die Wellenbewegung des Meeres quasi mimisch nachahmt in diesem:

Little secrets, tremors...turned to quake...
The smallest oceans still get...big, big waves...

Ransom paid the Devil...He whispers pleasing words...
Triumphant are the angels if they can...a get there first...

Little secrets tremors...turned to quake...
The smallest oceans still get...big, big waves...

Wir sind ja auf dem Meer. Meermetaphorik. Das schaukelt doch richtig. Kommt einem vor wie das heranbrandende und wieder "weggehende" Meer.

Wenn wir nicht nur die Struktur des Textes, die wunderbar ist, beschreiben wollen, müssen wir mal zu einer Interpretation kommen, Dazu ist wichtig: Was steckt im den Refrain drin?
Die zwei, drei Sätze, Zeilen, mit scheinbar zerstörter Synthax, wenn man die nebeneinanderhält...
Die Textteile, Strophe ab I`ll decide - was steckt da drin?

Wer ist dies Du, - was bedeutet dies her, des Anfangs des Textes?

Was ist Tremor Christ?

Aber später --- I`ll decide

Gast

Hajü



Hajü

  • Gast
Antwort #23 am: 18. Februar 2004 um 10:05
Ich wollte, es wäre so einfach, dass man in irgendeinem Lexikon nachschlagen könnte, was so eine Metaphorik bedeutet. Das gibt es doch: Lexikon der Taumsymbole. z. B. Aber alles irgendwie albern, illegitime Reduzierung von Komplexität der Welt.

Was den Traum anbetrifft, gibt es glaube ich eine Richtung der PA, die kollektive Symbole aufzuspüren versucht. Repräsentanten eines kollektiven Unterbewussten, an dem wir alle teil haben. Aber da glaube ich nicht dran, finde das unexakt - und würde es uns weiterbringen hier?

Sicherlich gibt es Konsens(e) über den Gebrauch von Metaphern, Motiven, z. B. das Meermotiv-, die Seemetapher(n). z.B. glaube ich, dass, wenn Wagner einen "Seelenverkäufer", ein Totenschiff über das Wasser, das Meer schickt, hat er sicherlich das Meer Schopenhauers vor Augen. Hier steht dann das Meer für die Welt, wie sie im Grunde ist, für das Dasein, wie es im Kern (nach Schopenhauer)ist. - am besten in der Musik widerzuspiegeln, nicht direkt wahrzunehmen. Man braucht gleichsam die Illusion. Ich weiss nicht, ob Schopenhauer schon das Word absurd gebraucht.

Wenn Thomas Mann bestimmte Figuren am Meer träumen lässt, spielt er auf dasselbe an. In den Buddenbrooks taucht an bestimmter Stelle "die Welt als Wille und Vorstellung auf". Sensible Naturen haben beim frühen Thomas Mann irgendwie ein Gespür dafür, wie chaotisch die Welt, der Wille im Grunde ist. Diese Einsicht ist mit dem Leiden an der Welt und dem Leben verbunden. Letztlich mit Lebensuntüchtigkeit. Dekadenz und, aber auch Vergeistigung

Dieser Text hier beginnt wie eine Ballade, ein Erzählgedicht über einen Seemann - das geht bis zur vierten Zeile bis zum, "but a chance blamed fate", das die ganze davor stehende Erzählung, brüchig macht, die Seemann und Meer als Metaphern, Symbole erscheinen lässt, den Retter schliesslich schon als Christus.
In einer Ballade würde man ab jetzt die eloquente Erklärung der Vorfälle erfahren neben dem Weitertreiben der Handlung auf dem Meer und am Strand. Möglich wäre: Warum musstte die Beziehungskiste scheitern?

Man könnte eine Strukturbeschreibung, Analyse der Struktur des Textes versuchen. Damit bliebe man am ehesten "wissenschaftlich". Struktur ist die Relation der einzelnen Elemente des Textes zueinander.
Man könnte so auch die Schönheit des Textes erweisen. Ist schon deutlich geworden, glaube ich.
Zum Beispiel so etwas wie dive und divine in der Strophe nach dem I`ll decide.
Hier geht es auch wieder vom Wasser hin zum Göttlichen.
Dasselbe, was wir schon mehrfach beobachtet haben. Eine in diesem Text typische Struktur.

Ja für was steht das alles hier?
Vielleicht brauchen wir garkein Lexikon der Metaphern, denn ...
Auch hier wird eine grundsätzliche Aussage über Welt und Dasein gemacht:

Little secrets, tremors...turned to quake...
The smallest oceans still get...big, big waves...

Kleine Mysterien, (kleines Zittern wandelten sich zum Erdbeben

Jetzt kommt etwas, das wie eine Regel klingt:
Die kleinsten Ozeane können immer noch (still adverb)(somit einschränkende Färbung dieser Aussage)grosse, grosse Wellen werden.
oder zweite Möglichkeit still als still, unbewegt. Zeigt das Meer in verschiedenen Erscheinungsformen.
Dies Paradoxon smallest Ozeans bekommt seine Logik vom Ende der Zeile her: Wenn der kleinste Tümpel immer noch - oder auch wenn er ganz ruhig ist, den Ozean und den Orkan in sich hat, kann man ihn doch von vorneherein nur als Ozean wahrnehmen.

Dies ist die Welt als ineinander geschachtelte Reihe von Universen. Diese Weltanschauung ist auch in populären Mythen zu finden: Man denke an die Galaxie, die um den Hals einer Katze gehängt ist in dem ersten Teil von "Men in Black". Oder in "Die Macht sei mit Dir"-.. einem Teil von Krieg der Sterne misst bei dem jungen Darth Vader ein Jedi das Vorhandensein von Kleinstlebewesen ...

In dieser Weltsicht ist im Blatt der Baum repräsentiert. Meditation und Kontemplation sind die Königstrasse zum Erkennen des Ganzen, das ja überall repräsentiert ist.

Aber auch eine Aussage über die Qualität der Welt wird gemacht: Was so ruhig und klein erscheinen mag, ein ruhiger Tümpel, ist im höchsten Grade explosiv: es kann einem um die Ohren fliegen. Das hat der in der Seite blutende Seemann der ersten Zeile erkannt. Die Welt beinhaltet das Absurde, Chaotische, den Orkan.

Im Grunde ist das eine Aussage über die menschliche Natur: nur ein dünner Zivilisationsfaden schützt uns letztlich selbst.

Nun kommt die Frage, über die ich mir nicht klar werden konnte: Was war zuerst (ich spreche nur über den Text): Das Leiden - das hier physisch apostrophiert wird - Organ - die Herzensromantik ist weggelassen worden - oder das Erscheinen des Retters. Hat der Retter die Illusionen über Menschen und Welt zerstört? Oder ging das Leiden als Ursache der Erkenntnis vorweg? Der Text legt sich da meiner Meinung nach nicht fest.

Es könnte aber so sein, dass z. B. Liebeskummer das Leiden - an der Welt auslöst. Aber hier wird nicht von Herzschmerz im romantischen Sinne gesprochen. Könnte auch physische Leidenschaft so was auslösen?
Oder gar die Erkenntnis, dass man mit einem Menschen nicht klar kommen konnte, nicht dafür geschaffen war? Dass man sich nur zerfetzt hat?

In einem Falle heisst die Übersetzung - sie ist dabei in seinem Erwachen zu ertrinken - das könnte auch bedeuten, dass die Seele, die hier nicht benannt wird, in der Wiederauferstehung des Retters ertrinkt.

Die Welt ist hier aber noch näher charakterisiert, gestaltet:
Ohne allzuviel spekulieren zu müssen, es ist eine polarisierte zweigeteilte Welt:

 
hier der Orkan, das Driften steuerlos in der See,
genau parallel gebraucht wird die Versuchung durch den Teufel, der längst abgeschlossene und funktionierende Teufelspakt. Beide Bilder stehen für dasselbe: In ihrer Kombination wird eine Qualiätsaussage über die Welt, wie sie zur Zeit funktioniert und ist, gemacht. Das steht für ein aussichtsloses Gefangensein im Chaos und Absurden. Für zwar kurzfristige Befriedigung (pleasing Words), aber ein ewiges Verloren sein.
Da hilft nur noch Erlösung. Da muss jemand das Tor zum Paradies wieder aufstossen, das ewig verschlossen ist.
Das ist die eine Seite der Welt, der eine Pol.

Der andere Pol ist in Chistus, den Engeln, der etwas abstrakteren, geistiger erscheinenden Metaphorik gegeben:

Muss erst mal wieder Schluss machen.

Hajü







 




Hajü

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Antwort #24 am: 18. Februar 2004 um 12:27
Hallo

Nur nebenbei: Ist das nicht auch reflexiv auf den Text selbst? Wenn in einem Tropfen das Meer anwesend sein kann, kann, muss auch in so einem kurzen Text, in so einer kurzen gestalteten Zeit, Globales und Universelles anwesend sein. Jedenfalls beansprucht der Text das für sich. (Ich spreche über den Text. Es gibt andere Sichtweisen, Perspektiven auf Welt und Dasein.)

Deshalb ist diese Aussage - smallest oceans still get...big, big waves - auch der Refrain, wird unverändert wiederholt.

Hajü

Gast


Offline Stinky

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Antwort #25 am: 18. Februar 2004 um 16:37
WOW!! Da ist man mal n paar Tage nicht online und dann das hier!
Hajü, du bist ne echte Bereicherung  :D
Bist du n Philosoph oder so?  ;D

Gruss
Millionen sehnen sich nach Unsterblichkeit und wissen nicht, was sie an einem regnerischen Sonntagnachmittag mit sich anfangen sollen.


Hajü

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Antwort #26 am: 19. Februar 2004 um 01:17
Heute war Stammtisch. Ich wollte das echt nicht, hoffe ich bekomme das hier trotzdem noch hin.


....Aber im Grunde kann ich es jetzt kurz machen mit diesem Text.

Wait for signs...believe in lies...

Ich interpretiere das jetzt so, dass alle Teile dieser Strophe ausser der letzten Zeile von dem I`ll decide abhängen. Dafür spricht eigentlich fast alles.
Wait for signs...
Wer Augen hat, zu sehen, der sieht, dass der Retter, Erlöser schon längst angekommen ist. Deshalb ist in der obigen Zeile das Erscheinen des Christus auch so versteckt. Ist erst auf einer zweiten Sprachebene zu finden.
Aber im Grunde steht die Pforte zum Paradies doch schon offen.

Wer Augen hat, zu sehen....

Believe in lies... - I´ll believe in lies. - Da bin ich mir nicht so ganz schlüssig: Aber es könnte eine Weltsicht, Weltanschauung in dem Text gemeint sein, die im Grunde pessimistisch ist, aber die Notwendigkeit von Illusionen für ein funktionierendes Leben und Dasein voraussetzt. Ich habe das schon angedeutet. Bei Nietzsche hat deshalb z. B. die Kunst so einen herausragenden Stellenwert. Ein Schüler Schopenhauers. Das Dasein kann erst Rechtfertigung durch das Kunstwerk bekommen....

Jetzt ist ganz wichtig, dass ein Perspektivwechsel stattfindet!, stattgefunden hat.
Denn plötzlich ist von einem Ich die Rede, ein Ich spricht:
I'll decide...take the dive...
Take my time...not my life...
Wait for signs...believe in lies...
To get by...it's divine...whoa...

Das take the dive schliesst an das "sees her...drowning in his wake an" - Wenn hier oben von der Seele die Rede war, bedeutet das hier so etwas wie die Taufe. Aber der Text ist hier wohl absichtlich nicht eindeutig.

Aber ganz klar ist: To get by ist die ganau parallele Figur zu Ransom paid, zu dem funktionierenden Teufelspakt.

Es ist ein Subjekt vorhanden, das nicht nur von aussen beobachtet wird, das nicht nur Spielball der Wellen und des Orkans ist. Dies Ich ist frei. Es kann wählen zwischen beiden Polen der bipolar gestalteten Welt.

Dies to get by hat auch einen Akzent von Kompromiss. Man kommt zum Ende der Vertragsverhandlungen - in diesem Falle durch Anerkennung des Göttlichen - Christus.

Aber man musste sicherlich eine Menge Dinge dafür zurückstellen. - To get by.
Dieser Schrei whoa - nach meinem Wörterbuch dient er auch dazu, die Pferde anzuhalten, und zwar plötzlich. Das Wendemanöver ist eingeleitet.

Turns the bow back, tows and...drops the line...
Puts his faith and love in Tremor Christ...

Das ist die Wende (Turn). Der Ausweg aus der Ausweglosigkeit.

Das kommt lakonisch daher. Was vorher unmöglich erschien, ist durch den neuen Vertragsabschluss ganz leicht. Man überschreitet die Grenze.... zu neuen Ufern

Warum ist von einem You die Rede. Werden wir, die Hörer, Leser angesprochen, sucht das Ich den Konsens, das Verständnis?.
Oder bedeutet das, dass wer das Göttliche, andere anerkennt erst das Du, die Gemeinschaft, sehen kann, ein soziales Wesen werden, sein kann?
Oh, you know what it's like. Hier ist doch sicherlich eine friedlichere Welt gemeint.

Denken wir nochmal zurück an das Absurde, das die Welt im Kern ist, an Blut und Leidenschaft dieser physischen Natur, an den dünnen Faden der Zivilisation, an die Explosionsgefahr.

Was bedeutet dann Tremor Christ, dem das Ich sich zuwendet? Ich habe schon gesagt, dass das von den Sprachregeln her nicht ganz astrein ist, befremdlich wirkt. Ich habe auch gesagt, gezeigt, dass Christus und die Engel nicht so ganz ideal gezeigt werden, sie wirken irgendwie leicht abgeblättert. Das taucht in der scheinbar fehlerhaften und leicht befremdlich wirkenden Tremor-Christ-Formulierung wieder auf.

Das bedeutet meiner Meinung nach: Wir - als unvollkommene und auch gefährliche Menschen - haben leider nichts anderes.

Tremor bedeutet Zittern. Das taucht bei grosser physischer Leidenschaft auf, auch bei Erkrankungen wie Parkinson. Bei dem Beispiel Parkinson-Krankheit ist besonders deutlich, dass es nicht kontrollierbarer Tanz der Muskeln ist.
In der Mystik wird nach der Vereinigung mit Gott gesucht. Denkbar wäre auch ein Ertrinken der Seele in Gott. Käme einer Vernichtung gleich. Vergl. obige Zeilen. In der Figur des Tremor steht das Ich gleichsam an seinem Orte fest. Seine ganze Sehnsucht, die sich auch in der Körperlichkeit des Zitterns Bahn bricht, richtet sich auf Gott, den aber zur Zeit noch nicht ganz erreichbar ist. Ertrinken... Gott ist zwar abgeblättert, aber zu gross.

Auch dazu sind die Menschen also fähig: Sehnsucht durchaus romantischer Natur zu entwickeln. Unstillbare Sehnsucht. Das kommt mir vor, als ob hier auch eine Art von Vergeistigung gemeint sei. Sublimierung. Die Zeile: Wounded is the organ he left all...bloodied" betonte das Physische des Leidens. Es ist nicht unmöglich, nicht ausgeschlossen, an Zoff und Keilerei zu denken, an der ein Zusammenleben scheiterte, an eine Unmöglichkeit, dass Menschen überhaupt miteinander auskommen können.
Ist nicht nur eine Frage von Partnerschaft, sondern auch von Weltfrieden.

Aber die in Tremor Christ gemeinte Sublimierung - etwas, das sich im Leben vielleicht als Sehnsuchtsgefühl zeigen kann, ..... Vergeistigung und Sublimierung, Anerkennung eines Göttlichen, Anderen ist hier der Heilsweg.
Eine Triebhaftigkeit, die sich in Sehnsucht verwandelt. Diese Sehnsucht soll durchaus unstillbar sein. - Gefahr des Ertrinkens. Aber da gehe ich wohl etwas zu weit.
Das ist die Wende, das Überschreiten der Grenze. "drops the line"

Ich kann es mir an dieser Stelle nicht verkneifen zu fragen, ob wir wirklich als Menschen so schlimm sind? Ist das unsere Natur - oder sind es die verdammten gesellschaftlichen Verhältnisse, die uns so gemacht haben? Wenn ich Nachrichten sehe, sehe ich allerdings schwarz.




Hajü

  • Gast
Antwort #27 am: 19. Februar 2004 um 01:36
Hallo

Insofern ist es natürlich wiederum ein Liebeslied. Es restituiert quasi die alte Sehnsucht - aber auf eine andere Weise.


Hier habe ich bestimmt noch Wichtiges übersehen, aber erst mal Schluss damit
Wenn ich darf, würde ich gerne noch zu "Do The Evolution" schreiben. Das brennt mir förmlich unter den Nägeln.

Bei diesem Text hier bin ich davon ausgegangen, dass es sich gleichsam um einen authentischen Sprecher handelt. Dass das, durch und durch ernst gemeint ist. Aber "Do The Evolution" ist auch ein Hammer - aber ganz anders.

mfg

Hajü

Gast


Hajü

  • Gast
Antwort #28 am: 19. Februar 2004 um 01:53
Noch ein Nachtrag

Die letzten beiden Zeilen sind wieder Aussenperspektive: Dritte Person. Das lässt den Abschnitt, die Strophe nach dem "I`ll decide.." wie wörtliche Rede erscheinen.

Der Trick deutet aber auch noch etwas anderes an. Es ist nicht mehr wichtig, dass ein Ich, ein Subjekt spricht. Ab der Wende verläuft alles wieder nach Regeln, wenn auch besseren Regeln. Das Subjekt spielt garnicht mehr so eine grosse Rolle.

Ich verstehe das so, dass quasi die einzige Freiheit, die der Mensch nach dem Text hier hat, ist, sich für links oder rechts, gut oder böse, für Gott oder gegen Gott zu entscheiden.

Ich glaube einen ähnlichen Freiheitsbegriff gibt es auch in der katholischen und protestantischen Kirche.

Das bedeutet natürlich nicht, dass es sich um einen kirchlichen Text handelt. Wahrscheinlich darf man den Erlöser hier auch nicht so wörtlich nehmen: Wir haben nichts anderes. So verstehe ich den Text.

mfg

Hajü

Gast

Entschuldigung für die vielen Satzzeichen-Fehler im obigen Teil.


Hajü

  • Gast
Antwort #29 am: 19. Februar 2004 um 01:58
Hat Spass gemacht.

H.