Tremor Christ
Einer meiner Lieblingssongs, obwohl ich ihn, paradoxerweise, nur schwer ertragen kann. Wenn ich mir mal so richtig wehtun will, muss ich nur 1 Stunde lang ununterbrochen die Live-Aufnahme aus '95 (Seattle) anhören - danach kann ich dann die Scherben meiner selbst vom Fußboden kehren... Aber manchmal muss das wohl sein. Zwei Stunden später gehts dann wieder. Bei den meisten PJ-Songs ist das genau andersherum. Alive richtet dich schon während des Songs wieder auf. Bei TC ist das anders. Nix mit: wenn du schon auf dem Fensterbrett stehst, dann holt dich PJ's Musik wieder zurück. Für mich der einzige Song, wo ich bei Dauerbeschallung echt Schwierigkeiten kriege. Nicht mal, dass ich anfällig für sowas wäre. Ich finde den Song nur irrsinig quälend. Die Hoffnung, die Hajü darin finden will, sehe ich nicht. Nicht, wenn ich ihn höre. Nicht in dieser Live-Version.
Hab trotzdem/gerade deswegen mit wachsender Begeisterung Hajü's Interpretation gelesen. Nee, Interpretation ist das falsche Wort. Analyse. Sezierung.
Zuerst dachte ich, noch so ein pseudointellektueller Spinner, der meint, er könne kraft seiner Wassersuppe, Freud, Nietzsche und Schopenhauer gelesen zu haben, nun mal schnell little Eddie Mueller psychoanalysieren. Das war bei - was weiß ich, jedenfalls das erste, worüber ich gestolpert bin. Es war spät, und ein Thread, der von einer einzigen Person bestritten wird, war mir irgendwie grundsätzlich suspekt.
Der Zweite war dann ein Song, der mir wichtig war. Black. Den hab ich wirklich gelesen. Und dachte, ups, das ist ja gar nicht uninteressant. 'n büschen langatmig, aber nicht undumm
Tremor Christ hab ich dann irgendwann gezielt gesucht. Und bin gebannt gefolgt. Wusste immerhin schon, dass Hajü nicht gerade der typische Fan ist und so gar nix über uns' Eddie weiß. Die ganzen Zusammenhänge fehlen, das wird eine reine Text- und Sprachanalyse. Und so unvoreingenommen, wie ich es niemals hinkriegen würde, weil ich mich nun mal sofort und auf der Stelle in die Stimme verliebt hab. Die Texte kamen später, ich hab nicht viel mehr als Bahnhof verstanden, Mr. Vedder ist schuld, dass mein Englisch heute wenigstens leidlich ist. Ich wollte UNBEDINGT wissen, was das heißt. Und noch unbedingter, was das bedeutet...
Auch wenn der tread schon seit Jahren tot ist - der Song ist es nicht, PJ sind es nicht und Eddie lebt offensichtlich auch noch. Und nach so vielen Jahren fällt mir vielleicht auch noch das eine oder andere zum zitternden Christus ein.
Nochmal ein Kommentar an Hajü: auch wenn du schon lange hier nicht mehr aktiv bist, wie es aussieht, meinen ersten Eindruck hab ich schon lange revidiert. Die Analysen haben sich dann doch bei Tage als nicht bloß sinnloses und selbstbeweihräucherndes Umsichschmeißen mit halbverstandenen Fremdwörtern entpuppt, sondern als unvoreingenommene und bemerkenswert intelligente Annäherungen (und dankenswerterweise von ganz anderer Seite) an eine ziemlich faszinierende - ja, immer noch - Person, die eine ganze Menge Leute auf ganz verschiedene Weise erreicht hat.
Ich hab Eddie ja auch immer eher als Dichter gesehen, obwohl ich weiß, dass Ed himself jetzt Zeter und Mordio schreien würde - "ich schreibe keine Gedichte, ich hab immer Songs im Kopf". Ich auch, DIE Stimme kriegt man da wohl nicht mehr raus, wenn sie einmal drin ist. Trotzdem sind die Texte sehr wohl für sich selbst aussagefähig. (Wenn man das Ächz und Stöhn weglässt...) Wie Hajü wohl recht eindrucksvoll bewiesen hat.
Wie war das? Wie kann ein Typ, der aus eher einfachen Verhältnissen stammt, derart tiefe Texte schreiben?
Was DAS angeht, stimme ich Hajü voll zu: ein Studium befähigt noch lange nicht zu SOWAS. Du kannst zwanzig Jahre studieren, und nicht mal annähernd diese Sphären erreichen.
Ich glaube, was Hajü allerdings vernachlässigt ist, dass einige sprachliche Ungereimtheiten, oder unsaubere Ausdrucksweisen, whatever, ab und an sehr wohl auf Eddies nicht hundertprozentig sichere Rechtschreibung zurückzuführen sind. Zumindest einmal hab ich ihn - stolz sein, in der Regel schieb ich ja alles auf meine alles andere als perfekten Englischkennnisse, aber da war's mal eindeutig, ich weiß nicht mehr wo, aber es gab da mal was, einmal... - dabei ertappt, dass auch Mr. Halbgott himself auch mal Fehler macht. Seitdem sehe ich seine Sprache zwar als sehr intelligent und überlegt, aber nicht unbedingt rechtschreibtechnisch und grammatikalisch perfekt an. Sowas sollte man also in Sprachanalysen einbeziehen. Nicht alles ist Absicht...
Außerdem vermisse ich in Hajüs Interpretationen einen gaaaaanz wichtigen Punkt: wo, bitte, bleiben die Pünktchen? Und das beim Meister der Auslassungszeichen... Ist mal jemandem aufgefallen, dass bei wichtigen Stellen oft vier und nicht bloß drei Auslassungszeichen stehen? Im emotionalen Überschwang kann man sich ja wohl mal verzählen... Zumal, wenn man auf 'ner alten Schreibmaschine schreibt.
Jaja, die Krümelkacker.
Manchmal sind's aber grad die Krümel. Denkt an den Streußelkuchen. Was wär der ohne?
Aber die Internetgeneration hat da wohl eh keine Chance. Solche Feinheiten findet man eben doch bloß in den Originalbooklets. Was dann doch für die althergebrachten Vertriebswege spricht, solange nicht etwas adäquates da ist. Zudem Ed nun mal eine ziemlich undeutliche Aussprache hat. Er würde längst in der Hölle schmoren, wenn es denn eine gäbe, so oft, wie ich ihn schon wegen seiner Nuschelei dahin gewünscht habe.
Mann, Junge, wenn du dich schon so kryptisch ausdrückst, mach's wenigstens deutlich. Nicht jeder ist native speaker.
Langer Rede gar kein Sinn, wie war das noch gleich? Tremor Christ...
Auch so ein Song mit einigen Pünktchen.
Immerhin schreibt er ordentlich. Die Schreibmaschine war wohl gerade nicht zur Hand, aber wie on tour sieht das auch nicht aus. Der Titel relativ geschmiert, mit nem Krakel rechts und links - mit etwas Phantasie als (fast archaische) Zeichnung zu erkennen - Kopf und ausgestreckte Arme, rechts und links das gleiche, könnte einen Schwimmer darstellen, einen "toten Mann", aber auch einen, wenn gedreht, der die Arme gen Himmel/Hölle streckt. Aber egal, wie man es dreht, für mich eher einer, der am Ertrinken ist, als einer, der die Sonne grüßt.
Nee, toter Mann. Der liegt auf dem Wasser. Fragt sich bloß, wie lange noch.
Auffällig ist die Trennung Chorus - Verse. Links verse, rechts chorus. Links Versalien, rechts gemischte Schreibweise. Links eher Druckschrift, rechts schon fast Handschrift. Nicht wirklich, der Text ist nicht "mal eben so hingekliert", wie es ja auch vorkommt. Aber es gibt einen deutlichen Unterschied zwischen rechts und links, und der Chorus ist schon fast "normale" Handschrift.
Ich glaube, dass die überarbeiteten Stellen, die mit der sauberen Handschrift, ein Zeichen dafür sind, dass sich da versteckt wurde. Was, wer auch immer sich verstecken muss. Immer, wenn es sehr, sehr persönlich wird, verzichten wir auf solche Manöver. Das ist pur, das ist so, wie es, wann auch immer, hingekritzelt wurde. Da passiert das Verstecken auf andere Art. DIESE Zeilen sind sehr viel kryptischer... und sehr viel erhellender, WENN man sie denn versteht.
Was ich mir nicht anmaßen will. Alles nur Vermutungen...
Ich versuche gerade, Hajü zu vergessen. Weiß nicht, ob's gelingt.
Little secrets,
tremors...
turned to quake...
the
smallest oceans
still get...
big, big waves .
Man beachte das Leerzeichen vor dem Punkt...
Ich halte DAS für die Schlüsselzeilen für den Song. Enträtsele das, und du hast den Schlüssel für den Rest. Diese ganze Gedöns von wegen: ich weiß nicht, ob das nun maritime oder religiöse Bilder sind, erübrigt sich, glaube ich, mit der Lösung für dieses Rätsel.
Ich glaube nämlich, dass der kleine Eddie aus Seattle das mit diesen Doppel- und/oder Mehrfachbedeutungen mit Absicht macht, nur um uns - nein, nicht zu verarschen. Aber vielleicht will der auch nicht, dass wir ihm zu sehr in die Karten gucken.
Und irgendwie denke ich, ich sollte hier ganz dringend aufhören. Ich hab nicht die leisteste Ahnung, ob ich weiß, was in diesem Hirn vorgeht. Aber ich hab die leise Ahnung dass, wenn auch nur die geringste Chance dafür besteht, ich aufhören sollte, diesen ganzen Scheiß zu analysieren.
Diese Sprache ist wirklich toll. Schwer beeindruckend. Aber der Schlüssel dazu, der liegt woanders. Nicht bei Freud, nicht bei Nietzsche, nicht bei Schopenhauer. Vielleicht sollten wir alle mal auf einen Baum klettern. Einen großen.
Einen, auf dem DIE drei noch nicht waren.
Nochmal an Hajü: Es ist schade, dass du nicht mehr dabei bist.
Mir ist es peinlich, soooo lange posts zu schreiben. Aber ich kann auch nicht anders. Manchmal geht es in zwei Sätzen. Manchmal eben nicht. Hier nicht. No chance.
Ein Zehn-Zeilen-Song. Aber soviel drin, da reicht vermutlich ein Leben nicht wirklich....