*hochholaktion*Ich mag diesen Song auch sehr gerne.Irgendwie berührt mich der Text unglaublich stark.Zumal mir das Problem "Lernschwierigkeiten" nicht unbekannt ist.
Fallen euch noch andere Interpretationen zu diesem Stück ein??
Nur eine Bemerkung dazu:
Ist, so meint ein Freund, der auch Gitarre spielt, eins der schönsten Lieder von PJ. Also, ich hab´s mir noch nicht so genau angeguckt. Sicherlich ist mit der Lernschwierigkeit ein konkretes Phänomen gemeint wie Legastenie oder was weiss ich. Das gucke ich mir noch mal an.
Und dann, die Gardine fällt zwei mal. Einmal im Kopf des Mädchens und dann vor den Blicken dessen oder derer, die das von aussen beobachten. ...
Ist auf jeden Fall das schon beobachtete Phänomen, solche Dinge - im weitesten Sinne des Alltags - zum Gegenstand eines Rocksongs zu machen, die das ganz schön innovativ machen.
Im weiteren Sinne trifft der Song wohl eine Aussage dazu, wie es um Chancengleichheit bestellt ist. So eine kleine Sache, die leicht therapierbar wäre, hat vielen Menschen das Leben verpfuscht. Talente konnten nicht verwirklicht werden. Hat was ganz schön Tragisches. Aber das gucken wir uns noch mal an. Was wird z. B. über die Mutter gesagt? Die bleibt irgendwie konturlos. Wahrscheinlich weil sie so typisch ist. Allerdings ist für liebende Eltern Bildung und Ausbildung für die Kinder ein hoher Wert. Sollen die ja schliesslich gute Startchancen bekommen. Es gibt auch Untersuchungen, die Schichtzugehörigkeit und Hochschätzen von Ausbildung in Relation setzen. So was hat bei der vorigen Bildungsreform eine Rolle gespielt. War mal eine der Begründungen für die Ganztagsschule in einer Gesellschaft, die sich durch Mobilität in jeder Hinsicht auszeichen sollte.
Also: Diese Mutter scheint Lernen und Ausbildung hoch zu schätzen. Dann wird noch die Inneneinrichtung angedeutet. Wir sind nicht bei den ganz armen Menschen. Der Kreis ist also eingegrenzt. (eher upper middleclass?)
Was passiert in diesem freundlichen, modischen, (kindgerechten?), repräsentativen, aber irgendwie kahlen Zimmer, wenn vor den Blicken der Nachbarn die Gardine fällt? Das Kind war gutwillig, konnte aber die Nachhilfe der Mutter nicht annehmen. Mutter hat es als Renitenz gedeutet.
Man sieht irgendwie die (amerikanische) Vorortsiedlung und Wohnstadt vor sich. Die Gardine ist hier am Schluss auch das Symbol der sozialen Kontrolle - in diesem Fall durch die Nachbarschaft. Mit diesem Kind kann die Mutter nicht glänzen vor den anderen Müttern von nebenan. (Ganz schön komprimiert in: "Tries to make her proud" werden hier soziologische Tatbestände vorgeführt.) Bedeutet auch: Der dann wohl schlagenden Mutter geht es nicht (nur) um das Wohl des Kindes. Deshalb flippt sie nicht aus. Und das spürt die Tochter klug ... Sie kann als Statussymbol nicht funktionieren.
Ist die Aussage des Songs eigentlich optimistisch? Ich meine das so: Wenn wissenschaftlicher Fortschritt, sei es in diesem Falle der Psychologie, Therapie- und Hilfemöglichkeiten schafft, die die Lage von Menschen verbessern können,
wird das hier als Aufklärung dargestellt, die einen zunehmend hoffen lassen kann - auf ein besseres Leben für alle? (Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit .... heisst es wohl.) Habe da so meine Zweifel. Aber der Finger wird auf eine Wunde gelegt. Die Tochter ist eine Leidende. Und dass sie sich erhebt, ist auch ein Wunsch. (rise). Diese sogenannte Renitenz ist also gerade das, was einen hoffen lassen könnte.
Steht glaube ich viel mehr drin - in dem Text. (mehr Textarbeit!!!!)
Ach ja: Ist zwar nicht so schön, so "abstrakt" an den Text heranzugehen, aber die Frage drängt sich auf, wie ist es um eine weit verbreitete Lehre und Anschauung bestellt ist, die jedem die Verantwortung für sein Schicksal selbst zuschanzt? Es gehe gerecht auf der Welt zu: Ich bekomme meinen Lohn entsprechend der Mühe, die ich mir gegeben habe. Im weistesten Sinne liegt hier wieder eine Ideologiekritik des Liberalismus vor. Bei Kant, von dem das Aufklärungszitat ist, ist das viel, viel differenzierter. Aber die konturlose Mutter, die hat diese Vorstellung im Kopf bei ihrem Handeln gegenüber ihrer Tochter. Möglicherweise schrumpft das oben Angedeutete auf solche Vorstellungen wie "Jeder ist seines Glückes Schmied" zusammen. Aber da sollten wir noch mal "konkreter" herangehen.
. Übrigens, wenn man so in die Geschichte der Pädagogik guckt, war es zur Zeit des (politischen) Aufkommens des Bürgertums üblich, körperliche Züchtigungen in Schule und Elternhaus einzusetzen. Das Bürgertum profilierte sich durch Bildung Sitten und Benimm gegenüber dem Adel. Hier wurde die auf sich gestellte (autonome) Persönlichkeit - auch wieder in Abgrenzung zum Geburtsadel - geschaffen. Dass das Im Übrigen Erziehungsmittel sind, die rundherum abzulehnen sind, brauche ich nicht zu betonen. Sowas gehört heute einfach unter Strafe gestellt.
Autonomie und körperliche Züchtigung, das war immer schon paradox. So kann niemand (auch nur) zu seinem Glück gezwungen werden.
Ich bin so frei, den Text in der Form noch mal anzuhängen:
Pearl Jam - DaughterYou guys ready...
Alone...listless...breakfast table in an otherwise empty room
Young girl...violins...center of her own attention
The, mother reads aloud, child, tries to understand it
Tries to make her proud
The shades go down, it's in her head
Painted room...can't deny there's something wrong...
Don't call me daughter, not fit to
The picture kept will remind me
Don't call me daughter, not fit to be
The picture kept will remind me
Don't call me...
She holds the hand that holds her down
She will...rise above...ooh...oh...
Don't call me daughter, not fit to
The picture kept will remind me (x2)
Don't call me daughter, not fit to be
The picture kept will remind me
Don't call me...
The shades go down (x2)
The shades go, go, go...
Die beiden letzten Zeilen haben auch noch was - wie ich finde - ziemlich Trauriges auszudrücken. Mitleid(en) mag wieder eine Rolle spielen?
Der Perspektivwechsel ist ab dem ersten Gardinenfall der zur Innenperspektive des Mädchens. Aber nur zum Teil. Wie gesagt: Da gehen wir noch mal ran.
Ja, wie kann mehr Chancengleichheit erzeugt werden? Vielleicht doch die Ganztagsschule? Es gibt eine Reihe von pädagogischen Alternativprojekten. Über Vieles ist man in der Zwischenzeit desillusioniert. Auch die Kibutzerziehung war mal was Tolles. Gewesen. Vielleicht liegt die Resignation auch im allgemeinen Geld-Mangel zur Zeit begründet. Oder darin, dass einfach nichts mal kompromisslos verwirklicht wird. Zu Viele wollen immer an ihren Privilegien festhalten. Aber das gehört eigentlich schon nicht mehr zum Text hier.
@bluemoon, lass Dich mal nicht von mindcrime und anderen daran hindern, den Thread hier umzuwühlen und zu interpretieren.
H.