Bravo - das war mal "instruktiv". Aber Jeder versteht es anders: Für mich ist sie tot am Schluss. Ich finde diesen Traum vom Fliegen, der bei dem Gewitter kommt, absolut faszinierend. Scheint fast so, als ob der Erzähler, der inzwischen Jugendlicher geworden ist, sie an dieser Stelle wie eine Sonne über dem Horizont aufgehend sieht. "and mary rising up above it all". In dieser Formulierung geht es natürlich weit über Armutsbehausung und Kleinstadt hinaus!
Die Blickrichtung in diesem Traumbild hoch von oben herunter.
Es gibt Bilder von Kirchner, wo auch so eine irre Perspektive gezeigt wird.
Es wird richtig deutlich, dass im Traum andere Gesetze herrschen.
Das Haus wird gleichsam durchsichtig. - nackte Glühbirnen, Zeitungen als Tapeten. Attribute der schieren Armut.
Dass es die allerschlechteste Lage in der Kleinstadt hat, wird am Anfang des Textes gesagt.
Dass diese Mary verrückt ist, wird ausgiebig gezeigt. Attribute, wie Augen, Hände. In dieser Episode mit den flatternden Händen wird deutlich, dass die Kinder und die Mutter, die das Auto fährt, von der besseren Seite der Kleinstadt kommen. Mary ist - als Verrückte bekannt, stadtbekannt. Die Mutter nimmt sie auf Bitten der Kinder - ohne Probleme mit. Das Hindernis mitzufahren scheint eher auf Seiten der Verrückten zu liegen: sometimes we did, but her hands flew from her side. Die Verrückte Mary ist integriert, sie wird als harmlos eingeschätzt. Aber als hoffnungslos verrückt.
Dies "drink it down" bedeutet wohl nicht, dass leere Flaschen herumgereicht werden. Vielmehr trinken die Herumlungerer unter dem Schild ihren Kummer herunter.
Es geht hier um drei Dinge, Gegenstände, Menschen. Den Erzähler, der heranwächst - oben toll herausgearbeitet - , die Kleinstadt, die absolut elend erscheint und die Verrückte.
Das wird - über die Jahre hinweg in Relation gesetzt.
Der Traum vom Fliegen wird so ausgelöst, eingeleitet:
one night thunder cracked
es kann durchaus sein, dass der Donner das Krachen des in das Haus, die Baracke der Mary eindringenden Autos ist.
Der Traum zeigt, dass die Verückte die einzig Freie in der Kleinstadt ist, obwohl sie gerade die Ärmste ist. "and mary rising up above it all". Die Kleinstadt wird mit ein paar Strichen, die aber genau sitzen, gezeichnet. Sie ist das, vor dem der Erzähler wohl fliehen wird. Der Traum, die Vision ist eine eigenständige - nicht durch die Mutter - s. Tramperscene - vermittelte Einsicht.
Was bedeutet das, wenn Wahn und Verrücktsein, abweichendes Verhalten so umgewertet werden? Wahrscheinlich sind die Insassen der Kleinstadt die wahren Verrückten, Gefangenen. Sie sind determiniert, können nicht raus aus diesem elenden Leben. Haben nur die Möglichkeit - drink it down.
Sie schafft es, aus der Kleinstadt-Gefangenschaft physisch herauszukommen: Indem sie stirbt, durch das Auto, das in ihr Haus rast, umkommt. Allerdings erscheint sie im Traum vom Fliegen dem Erzähler vorher, oder gleichzeitig ! (schon) frei.
Über das Verhältnis Mutter - Kinder - Mary müsste man vielleicht auch noch mal nachdenken. Hat das „let give her a ride“ nicht auch etwas Gönnerhaftes, Demütigendes? Andererseits scheint es zu bedeuten, dass diese Mary eine Leidenschaft für das Autofahren hat.
„sometimes we did, but her hands flew from her side“ - könnte das auch bedeuten, dass sie später einfach nicht mehr die Hand raushält, nicht mehr das Tramperzeichen macht. Jedenfalls geht es von ihr aus, dass sie nicht mehr mitfährt.
Denn was passiert: Die Mutter zeigt den Kindern den toleranten, liberalen Umgang mit der harmlosen Verrückten, die Verrückte ist aber auch Demonstrationsobjekt, Erziehungsmittel. Hier wird demonstriert, was nicht normal ist, was nicht angepasstes Verhalten ist. Hier geht es zur Enge der Kleinstadt. Hier wird jemand auch vorgeführt – ähnlich wie es manche Talkshows machen. Ich deute dies "but her hands flew from her side" als Art Übersprunghandlung. Aus dem Versuch, das Tramperzeichen zu machen wird durch einen inneren Konflikt dies „but her hands flew from her side“. Denn sicherlich hat es Funktion (für die Person). Wahrscheinlich ist das alles zu demütigend, so dass nur noch so ein Flattern der Hände, das als Zeichen nicht mehr erkannt, gelesen werden kann, herauskommt. Sicherlich kann sie leicht auf den Reiz des Autofahrens verzichten? Andererseits wird das verschwommene Zeichen, das Flattern der Hände wieder nur als Zeichen für Verrücktheit gelesen werden. Aber was macht (ihr) das schon aus?
Andererseits ist die Mutter natürlich souverän und liberal.
Diese Kleinstadt ist ebenfalls durchaus liberal. Es wird nicht Jagd auf Aussenseiter und Minderheiten gemacht. Jedenfalls nicht auf Mary. Die Verrückte muss nicht gesondert verwahrt werden, alldiweil sie ja auch harmlos zu sein scheint. Typische amerikanische Kleinstadt.? So liberal und political correct. Nach dem Tod der Mary wird der Erzähler die Kleinstadt wohl verlassen. Die Traumsequenz zeigt, dass er soweit ist. Alternative wäre dies - drink it down. Der Versuch, alles zu vergessen, auch die wichtigen Einsichten.
Ich glaube, dass es lohnenswert wäre, genauer am Text zu bleiben, zu versuchen, die Struktur mehr zu beschreiben. Ganz schön artistisch z. B., wie das Auto dreimal in dem Text verwendet wird. Müsste man beschreiben. Ich glaube, es ist bei diesen Texten auch etwas „gefährlich“, wenn sie sich so schnell zu erschliessen scheinen.
Hypothese: Ein Portrait der Kleinstadt, in der der Sprecher, Erzähler aufwächst - die ihm später so eng wird, dass er weggehen wird. Andererseits .....
Der Schluss ist absolut irre:
that what you fear the most, could meet you halfway
that what you fear the most, could meet you halfway
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around
Nachdem der Erzähler am Tag nach dem Traum erkannt hat, was mit der verrückten Mary passiert ist, - die Erschütterung wird in den Zeilen der Darstellung des Ereignisses versteckt: Die Wahrnehmung und detailierte Beschreibung der Spuren, die auf das Haus zuführen.
Dann kommt aber zwei mal die Zeile, die wie eine Moral von der Geschichte klingt.
Hierin hört man schon die betrunkenen Lungerer sprechen, lallen. Die eigentliche Erkenntnis, die der Erzähler hatte, liegt ja in der Traumsequenz. Schliesst er sich den Stadtsäufern an, wird er die Erkenntnis schnellstens vergessen haben, ertränkt haben. Diese Kleinstadt lässt einen nicht los. Es geht ein Sog von ihr aus.
Insofern wirkt der Refrain am Schluss absolut erdrückend.
Ich weiss, die Deutung, das Mary nur als Tote aus der Kleinstadt herauskommt, ist viel pessimistischer. Aber ich glaube, so steht es im Text. Die Freiheit liegt hier in der Verrücktheit, die einen Ausweg aus Armut und Enge schafft.
Es geht auch ja um die Frage, ob der Erzähler sich befreien kann. Aber wenn er es erzählen kann, hat er es schon getan.
Zu den Autorennen in der Kleinstadt: Ich kenne auch noch einen: American Graffiti. Dieser Racer standen für eine Vorform von Jugendbewegung und Rebellion in den 50er und frühen 60er Jahren. Dieser Film bringt das alles ein bisschen voller Wehmut - als Abschied von der Clique und der geliebten Kleinstadt. (Am Vorabend des Einzugs zum Vietnamkrieg). Der Text hier stellt die Kleinstadtrennen weder als Rebellentum, noch als wehmütige Angelegenheit dar. Der Weg führt direkt in die Säuferscene, wo alle Altersgruppen ihren Frust runtertrinken. Nicht ausgeschlossen ist, dass so ein Auto in das Haus der Mary raste.
Übrigens: Man könnte das noch wesentlich pessimistischer interpretieren. Der Erzähler beginnt in dem Moment zu träumen, wo das Auto in das Haus rast und die verrückte Mary tötet. Was er erlebt, ist eine Vision. Ich glaube der Traum ist sogar so gestaltet. Dann könnte das bedeuten, dass sie echt erst im Tod frei und undeterminiert ist. Dass sie auf das Trampen verzichtet, bedeutet doch auch, dass sie nicht völlig gleichgültig gegenüber gesellschaftlichen Ritualen und zumindest nicht frei von Scham oder Stolz oder .. ist. Diese Möglichkeit zu verstehen ist zumindest im Text angelegt. Dann gäbe es selbst in der Verrücktheit keine Freiheit… nur im Tode. Das bezieht sich natürlich auf die Kleinstadt. Die Freiheit liegt ausserhalb. Man muss nur wegkommen. Ich spreche vom Text!
Und wieder: Die Wahl des Gegenstandes des Textes eines solchen Songs halte ich für ganz schön innovativ. Ausserdem glaube ich, - ist natürlich hier nicht bewiesen - , dass der Text so raffiniert gemacht ist, dass mancher Lyriker daneben absolut verblasst.
Es wäre glaube ich lohnenswert, die Strukturen mehr herauszuarbeiten, zu beschreiben, Analyse am Text zu machen. Lohnt sich.
Hajü
Gast