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Crazy mary

Offline crasher

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am: 14. Dezember 2003 um 20:50
she lived on a curve in the road, in an old, tar-paper shack
on the south side of the town, on the wrong side of the tracks
sometimes on the way into town we'd say:
'mama, can we stop and give her a ride?'
sometimes we did, but her hands flew from her side
wild eyed, crazy mary
down a long dirt road, past the parson's place
that old blue car we used to race
little country store with a sign tacked to the side
said 'no l-o-i-t-e-r-i-n-g allowed'
underneath that sign always congregated quite a crowd
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around
one night thunder cracked, mercy backed outside her windowsill
dreamed i was flying high above the trees, over the hills
looked down into the house of mary
bare bulb on, newspaper-covered walls, and mary rising up above it all
next morning on the way into town
saw some skid marks and followed them around
over the curve, through the fields, into the house of mary
that what you fear the most, could meet you halfway
that what you fear the most, could meet you halfway
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around


mh also den hier versteh ich auch 0. vlt kann mir da jmd helfen. treibt sich ja auch jemand hier im forum rum der sich mit diesem namen tarnt ;) wer soll diese mary sein und was machte sie so besonders?
ciao
crasher 8)
« Letzte Änderung: 14. Dezember 2003 um 20:55 von crasher »
Pearl Jam's music took me to a higher place and I never wanted to return.


Offline Löffelverbieger

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Antwort #1 am: 31. Dezember 2003 um 18:10
also ich versteh hier auch ganz wenig. meine gedanken dazu:

ist sie eine herumlungernde? mmh, aber sie hat ja immerhin ein haus.  :-\

take o bottle, drink it down bezieht sich doch auf die crowd vor dem laden, richtig? oder ist mary auch eine trinkerin? eine verrückte (crazy)?

und in welchem zusammenhang steht the blue car, we used to race?

den teil versteh ich auch kaum:

one night thunder cracked, mercy backed outside her windowsill
dreamed i was flying high above the trees, over the hills    (sind da drogen im spiel?)
looked down into the house of mary
bare bulb on, newspaper-covered walls, and mary rising up above it all

 
ich meine that what you fear the most, could meet you halfway ist ja ein schöner satz. aber was hat der mit mary zu tun? da sind diese schleuder-spuren auf der straße, die zu marys haus führen. erst hab ich ja an den unfall in last kiss gedacht.

ist/war sie besoffen? denke ich jedenfalls, wegen diesem
take abottle trink it down

aber was soll   pass it around    bedeuten?
"...fuck your short memory!..."


Offline Löffelverbieger

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Antwort #2 am: 05. Januar 2004 um 22:54
 :-\
"...fuck your short memory!..."


Worf

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Antwort #3 am: 07. Januar 2004 um 22:51
also, ich raff auch nicht viel mehr. Aber geschrieben ist das ganze aus Sicht eines Kindes. In dessen Ort lebt eine Frau, die sich verrückt verhält ( macht Anhalter, will dann aber nicht mitgenommen werden) , verrückt aussieht ( wild eyed) halt crazy mary.  Viele andere im Dorf besaufen sich wohl regelmässig. (ich glaube nicht Mary). Dann träumt das Kind nachts von Mary, und am nächsten sieht es, das ein Fahrzeug in ihr Haus gerammt ist.  wahrscheinlich ist Mary dabei gestorben. Tragisch aber man kann ja alles wegsaufen.
Hab auch keine Ahnung was what you fear the most could meet you halfway in diesem Zusammenhang bedeuten soll.


Offline Löffelverbieger

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Antwort #4 am: 08. Januar 2004 um 13:24
wo steht, dass sie "anhalter macht, und dann doch nicht mitgenommen werden will"?

und was soll bare bulb on heißen?
hab mal einen anderen text gefunden, da hieß es an selber stelle a bare bones fall   :-\

 :-\ :-\ :-\
"...fuck your short memory!..."


Offline Dredd

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Antwort #5 am: 03. Februar 2004 um 15:07
bare bulb = nackte glühbirne, würd ich meinen
pass it around =reich sie (die flasche) herum.
« Letzte Änderung: 03. Februar 2004 um 15:08 von Jan 1 »


Offline Mindcrime

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Antwort #6 am: 04. Februar 2004 um 19:28
"Crazy Mary" ist auf jeden Fall ein genialer Song und deshalb habe ich mich jetzt auch mal daran versucht. Hab grade ein bißchen Leerlauf...  ;)

Ich interpretiere ihn aber völlig anders als der Löffelverbieger oder Worf, weil ich garnicht glaube, daß Mary verrückt ist, sondern nur als verrückt angesehen wird.

Das Bild, das ich beim Hören vor Augen habe, ist das eines kleinen Kaffs auf dem Land. Und natürlich träumt jeder Heranwachsende davon, aus diesem Kaff so schnell wie möglich abzuhauen, wenn er erwachsen ist. Leider schafft das aber keiner von ihnen... außer Mary!
Die anderen resignieren irgendwann und hängen, wie Generationen vor ihnen auch schon, vor dem kleinen Laden rum und betrinken sich.

Okay, ich versuche zu erklären, wie ich darauf komme.  ;D

1. Strophe:
Mary ist zweifellos arm ("on the wrong side of the tracks" ist eine Redewendung für "aus ärmlichen Verhältnissen stammen"), sie lebt in einer alten Hütte aus Teerpappe. Der Erzähler ist noch ein Kind. Auf dem Weg in die Stadt fragt er seine Mutter manchmal (aus Neugier?), ob sie Mary nicht mitnehmen können. Manchmal tun sie das dann auch.
Hier bereitet mir "but her hands flew from her side" Kopfzerbrechen. Auf Mary bezogen ergibt der Satz für mich keinen Sinn, aber auf die Mutter bezogen, könnte man ihn so interpretieren, daß sie ihrem Sohn mit Handbewegungen zu verstehen gibt, er solle still sein. Sie will Mary nicht immer mitnehmen. Die Mutter sagt, Mary sei verrückt ("wild eyes, Crazy Mary").

2. Strophe:
Hier wird aus dem Erzählerkind ein Jugendlicher, der sich seine Zeit mit Autorennen vertreibt ("that old blue car we used to race"). Wir alle kennen diese Klischees aus zahllosen Filmen ("Denn sie wissen nicht was sie tun" fällt mir dazu ein, aber egal). Es gibt einen kleinen Laden in der Stadt, vor dem das Herumlungern ("loitering" extra betont!) eigentlich verboten ist, wo sich aber trotzdem immer einige Leute versammeln, um zu trinken. Und zwar heftig. "Drink it down" heißt übersetzt "auf einen Zug" (warum man dann allerdings eine leere Flasche herumreicht, ist mir schleierhaft. Vielleicht auch ein Sinnbild für irgendwas?!).

Die 3. Strophe ist die entscheidende:
Eines Nachts, es donnert (!), hat Mary sich sozusagen selbst begnadigt ("Mercy backed outside her windowsill"), sie bricht aus dem Kaff aus. Im Gegensatz zum Erzähler, der weiterhin nur davon träumt.
In dieser Nacht träumt er einen Traum, der Wirklichkeit wird. Er träumt (wie wahrscheinlich schon unzählige Male vorher) davon, wie es wäre, einfach aus diesem ländlichen Kaff wegzufliegen ("dreamed I was flying, high above the trees over the hills"). Doch diesmal besucht er in seinem Traum auch Mary`s Haus.
Er sieht eine nackte Glühbirne, mit Zeitungen tapezierte Wände (alles wohl Zeichen für Armut) und Mary "rising up above it all" - was man mit "über allem stehen", "aufsteigen" oder "auflehnen" übersetzen kann. Mary steht also über allem, sie steigt und lehnt sich auf gegen das ärmliche und desillusionierende Leben in diesem Kaff.
Löffelverbieger hat geschrieben, daß er an anderer Stelle mal statt "bare bulb on" die Textzeile "bare bones fall" gefunden hat. Das läßt sich mit "die Grundzüge fallen" übersetzen, für mich ein weiterer Beleg dafür, daß Mary das Leben aller erschüttert, weil sie es (als erste?) schafft, diesem Leben zu entfliehen.
Am nächsten Morgen (also wieder wach und in der Realität) entdeckt der Erzähler Reifenspuren ("skid marks" müssen nämlich keine Bremsspuren sein!) über den Feldern bis zu Mary`s Haus. Sie ist weg (aufgestiegen) oder jemand hat sie abgeholt.
Jedenfalls hat sie es geschafft! Und jetzt kommt dem Erzähler wieder all das hoch, vor dem er die meiste Angst hat, nämlich, daß er selbst in diesem Kaff versauern wird ("that what you fear the most, could meet you halfway"). Er weiß, daß ihm nichts sinnvolleres bleiben wird, als herumzulungern und wieder endlos die Flasche kreisen zu lassen.

Uff, das war`s! Ich hoffe, ich habe mich nicht zu lang gefaßt und meine Gedanken sind nachvollziehbar (und angreifbar?!) geworden.  :-\
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Offline SeaChange

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Antwort #7 am: 05. Februar 2004 um 12:53
Uff, das war`s! Ich hoffe, ich habe mich nicht zu lang gefaßt und meine Gedanken sind nachvollziehbar (und angreifbar?!) geworden.  :-\

Also ich find deine Interpretation ist weder zu lang, noch wüsste ich dabei nicht, was es da zu bemängeln gäbe ....  ;)  :D

Mir hast du damit auf jeden Fall um "einiges" weitergeholfen  :) ... und ich glaube den anderen auch, wenn ich das mal so vorweg sagen darf.
It's great to be alive!

Coming from God knows where, Music speaks directly as our deep intuitions about love, life, death, and can, in those rare, rapturous moments, give us a glimpse into who we truly are. - EK



Offline Löffelverbieger

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Antwort #8 am: 15. Februar 2004 um 20:29
auf alle fälle.... toll gemacht. ich werd mir das mal unter diesem gesichtpunkt angucken. gerade weil ich doch gerade gemerkt hab, dass sich das lied sehr gut (und einfach!) auf der akustik-gitarre spielen lässt.
nochmal: respekt mindcrime!! :o
"...fuck your short memory!..."


Offline Mindcrime

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Antwort #9 am: 16. Februar 2004 um 08:36
Freut mich, wenn`s weiterhilft!  :D

Danke für die warmen Worte!  :)
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Hajü

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Antwort #10 am: 27. Februar 2004 um 03:23
Bravo - das war mal "instruktiv". Aber Jeder versteht es anders: Für mich ist sie tot am Schluss. Ich finde diesen Traum vom Fliegen, der bei dem Gewitter kommt, absolut faszinierend. Scheint fast so, als ob der Erzähler, der inzwischen Jugendlicher geworden ist, sie an dieser Stelle wie eine Sonne über dem Horizont aufgehend sieht. "and mary rising up above it all".  In dieser Formulierung geht es natürlich weit über Armutsbehausung und Kleinstadt hinaus!

Die Blickrichtung in diesem Traumbild hoch von oben herunter.
Es gibt Bilder von Kirchner, wo auch so eine irre Perspektive gezeigt wird.
Es wird richtig deutlich, dass im Traum andere Gesetze herrschen.
Das Haus wird gleichsam durchsichtig. - nackte Glühbirnen, Zeitungen als Tapeten. Attribute der schieren Armut.

Dass es die allerschlechteste Lage in der Kleinstadt hat, wird am Anfang des Textes gesagt.

Dass diese Mary verrückt ist, wird ausgiebig gezeigt. Attribute, wie Augen, Hände. In dieser Episode mit den flatternden Händen wird deutlich, dass die Kinder und die Mutter, die das Auto fährt, von der besseren Seite der Kleinstadt kommen. Mary ist - als Verrückte bekannt, stadtbekannt. Die Mutter nimmt sie auf Bitten der Kinder - ohne Probleme mit. Das Hindernis mitzufahren scheint eher auf Seiten der Verrückten zu liegen: sometimes we did, but her hands flew from her side. Die Verrückte Mary ist integriert, sie wird als harmlos eingeschätzt. Aber als hoffnungslos verrückt.


Dies "drink it down" bedeutet wohl nicht, dass leere Flaschen herumgereicht werden. Vielmehr trinken die Herumlungerer unter dem Schild ihren Kummer herunter.

Es geht hier um drei Dinge, Gegenstände, Menschen. Den Erzähler, der heranwächst - oben toll herausgearbeitet - , die Kleinstadt, die absolut elend erscheint und die Verrückte.
Das wird - über die Jahre hinweg in Relation gesetzt.
Der Traum vom Fliegen wird so ausgelöst, eingeleitet:
one night thunder cracked

es kann durchaus sein, dass der Donner das Krachen des in das Haus, die Baracke der Mary eindringenden Autos ist.

Der Traum zeigt, dass die Verückte die einzig Freie in der Kleinstadt ist, obwohl sie gerade die Ärmste ist. "and mary rising up above it all". Die Kleinstadt wird mit ein paar Strichen, die aber genau sitzen, gezeichnet. Sie ist das, vor dem der Erzähler wohl fliehen wird. Der Traum, die Vision ist eine eigenständige - nicht durch die Mutter - s. Tramperscene - vermittelte Einsicht.

Was bedeutet das, wenn Wahn und Verrücktsein, abweichendes Verhalten so umgewertet werden? Wahrscheinlich sind die Insassen der Kleinstadt die wahren Verrückten, Gefangenen. Sie sind determiniert, können nicht raus aus diesem elenden Leben. Haben nur die Möglichkeit - drink it down.

Sie schafft es, aus der Kleinstadt-Gefangenschaft physisch herauszukommen: Indem sie stirbt, durch das Auto, das in ihr Haus rast, umkommt.  Allerdings erscheint sie im Traum vom Fliegen dem Erzähler vorher, oder gleichzeitig ! (schon) frei.

Über das Verhältnis Mutter - Kinder - Mary müsste man vielleicht auch noch mal nachdenken. Hat das „let give her a ride“ nicht auch etwas Gönnerhaftes, Demütigendes? Andererseits scheint es zu bedeuten, dass diese Mary eine Leidenschaft für das Autofahren hat.
„sometimes we did, but her hands flew from her side“ - könnte das auch bedeuten, dass sie später einfach nicht mehr die Hand raushält, nicht mehr das Tramperzeichen macht. Jedenfalls geht es von ihr aus, dass sie nicht mehr mitfährt.
Denn was passiert: Die Mutter zeigt den Kindern den toleranten, liberalen Umgang mit der harmlosen Verrückten, die Verrückte ist aber auch Demonstrationsobjekt, Erziehungsmittel. Hier wird demonstriert, was nicht normal ist, was nicht angepasstes Verhalten ist. Hier geht es zur Enge der Kleinstadt. Hier wird jemand auch vorgeführt – ähnlich wie es manche Talkshows machen. Ich deute dies "but her hands flew from her side" als Art Übersprunghandlung. Aus dem Versuch, das Tramperzeichen zu machen wird durch einen inneren Konflikt dies „but her hands flew from her side“. Denn sicherlich hat es Funktion (für die Person). Wahrscheinlich ist das alles zu demütigend, so dass nur noch so ein Flattern der Hände, das als Zeichen nicht mehr erkannt, gelesen werden kann, herauskommt. Sicherlich kann sie leicht auf den Reiz des Autofahrens verzichten? Andererseits wird das verschwommene Zeichen, das Flattern der Hände wieder nur als Zeichen für Verrücktheit gelesen werden. Aber was macht (ihr) das schon aus?
Andererseits ist die Mutter natürlich souverän und liberal.
Diese Kleinstadt ist ebenfalls durchaus liberal. Es wird nicht Jagd auf Aussenseiter und Minderheiten gemacht. Jedenfalls nicht auf Mary. Die Verrückte muss nicht gesondert verwahrt werden, alldiweil sie ja auch harmlos zu sein scheint. Typische amerikanische Kleinstadt.? So liberal und political correct. Nach dem Tod der Mary wird der Erzähler die Kleinstadt wohl verlassen. Die Traumsequenz zeigt, dass er soweit ist. Alternative wäre dies - drink it down. Der Versuch, alles zu vergessen, auch die wichtigen Einsichten.

Ich glaube, dass es lohnenswert wäre, genauer am Text zu bleiben, zu versuchen, die Struktur mehr zu beschreiben. Ganz schön artistisch z. B., wie das Auto dreimal in dem Text verwendet wird. Müsste man beschreiben. Ich glaube, es ist bei diesen Texten auch etwas „gefährlich“, wenn sie sich so schnell zu erschliessen scheinen.

Hypothese: Ein Portrait der Kleinstadt, in der der Sprecher, Erzähler aufwächst - die ihm später so eng wird, dass er weggehen wird. Andererseits .....

Der Schluss ist absolut irre:

that what you fear the most, could meet you halfway
that what you fear the most, could meet you halfway
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around
take a bottle, drink it down, pass it around

Nachdem der Erzähler am Tag nach dem Traum erkannt hat, was mit der verrückten Mary passiert ist, - die Erschütterung wird in den Zeilen der Darstellung des Ereignisses versteckt: Die Wahrnehmung und detailierte Beschreibung der Spuren, die auf das Haus zuführen.
Dann kommt aber zwei mal die Zeile, die wie eine Moral von der Geschichte klingt.

Hierin hört man schon die betrunkenen Lungerer sprechen, lallen. Die eigentliche Erkenntnis, die der Erzähler hatte, liegt ja in der Traumsequenz. Schliesst er sich den Stadtsäufern an, wird er die Erkenntnis schnellstens vergessen haben, ertränkt haben. Diese Kleinstadt lässt einen nicht los. Es geht ein Sog von ihr aus.
Insofern wirkt der Refrain am Schluss absolut erdrückend.

Ich weiss, die Deutung, das Mary nur als Tote aus der Kleinstadt herauskommt, ist viel pessimistischer. Aber ich glaube, so steht es im Text. Die Freiheit liegt hier in der Verrücktheit, die einen Ausweg aus Armut und Enge schafft.
Es geht auch ja um die Frage, ob der Erzähler sich befreien kann. Aber wenn er es erzählen kann, hat er es schon getan.

Zu den Autorennen in der Kleinstadt: Ich kenne auch noch einen: American Graffiti. Dieser Racer standen für eine Vorform von Jugendbewegung und Rebellion in den 50er und frühen 60er Jahren. Dieser Film bringt das alles ein bisschen voller Wehmut - als Abschied von der Clique und der geliebten Kleinstadt. (Am Vorabend des Einzugs zum Vietnamkrieg). Der Text hier stellt die Kleinstadtrennen weder als Rebellentum, noch als wehmütige Angelegenheit dar. Der Weg führt direkt in die Säuferscene, wo alle Altersgruppen ihren Frust runtertrinken. Nicht ausgeschlossen ist, dass so ein Auto in das Haus der Mary raste.


Übrigens: Man könnte das noch wesentlich pessimistischer interpretieren. Der Erzähler beginnt in dem Moment zu träumen, wo das Auto in das Haus rast und die verrückte Mary tötet. Was er erlebt, ist eine Vision. Ich glaube der Traum ist sogar so gestaltet. Dann könnte das bedeuten, dass sie echt erst im Tod frei und undeterminiert ist. Dass sie auf das Trampen verzichtet, bedeutet doch auch, dass sie nicht völlig gleichgültig gegenüber gesellschaftlichen Ritualen und zumindest nicht frei von Scham oder Stolz oder .. ist. Diese Möglichkeit zu verstehen ist zumindest im Text angelegt. Dann gäbe es selbst in der Verrücktheit keine Freiheit… nur im Tode. Das bezieht sich natürlich auf die Kleinstadt. Die Freiheit liegt ausserhalb. Man muss nur wegkommen. Ich spreche vom Text!

Und wieder: Die Wahl des Gegenstandes des Textes eines solchen Songs halte ich für ganz schön innovativ.  Ausserdem glaube ich, - ist natürlich hier nicht bewiesen - , dass der Text so raffiniert gemacht ist, dass mancher Lyriker daneben absolut verblasst.
Es wäre glaube ich lohnenswert, die Strukturen mehr herauszuarbeiten, zu beschreiben, Analyse am Text zu machen. Lohnt sich.

Hajü

Gast




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Antwort #11 am: 27. Februar 2004 um 09:08
Es wäre glaube ich lohnenswert, die Strukturen mehr herauszuarbeiten, zu beschreiben, Analyse am Text zu machen. Lohnt sich.

Hajü


Also, entweder du leidest unter Schlaflosigkeit oder du bist ein Lyriker par excellence... Ich glaube, es ist eine Verbindung von beidem!?  ;)

Puh, das was du geschrieben hast, muss ich jetzt erst mal sacken lassen... Das ist eine wirklich lohnenswerte Herausforderung!

Ich melde mich wieder! Die Diskussion beginnt mir Spass zu machen...   :)

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Offline Mindcrime

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Antwort #12 am: 27. Februar 2004 um 09:12
@ Hajü:

Ach ja, nochwas....

Schau mal hier rein: http://www.pearl-jam.de/index.php?board=14;action=display;threadid=1762

Deine Meinung zu diesem Text würde mich auch mal interessieren!  ;)
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Hajü

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Antwort #13 am: 27. Februar 2004 um 12:42
Hallo

Schön!

War auch erschrocken, als ich auf die Uhr guckte. Hier lagen, als ich gestern wiederkam schon alle in den Betten, und ich wusste nicht recht, was ich tun sollte. Wollte erst nur ein paar Zeilen schreiben, dann "gingen die Pferde wieder" mit mir durch.

Musste über die Duelle übrigens schon ein paar mal schallend lachen.

H.
Gast


Hajü

  • Gast
Antwort #14 am: 27. Februar 2004 um 15:04
Hallo

Da habe ich jetzt lange nach gesucht. Ich hoffe es ist nicht zu lang für die Seite. Das Thema ist im Grunde dasselbe. Das Dorf ist allerdings kleiner. Sage über die Unterschiede allerdings nicht: Hie Deutschland, Österreich, dort Amerika. Denke an die Männer mit den weissen Kapuzen.

Der Dorftrottel
Ludwig Hirsch

Die Hebamm is schon da, heut nächt wird's soweit sein,
die Bäuerin is ruhig, es geht ihr gut,
der Bauer steht im Weg, sie lächeln ihn aus der Stuben,
er brummt und zeigt nicht, daß er sich freut auf den Buben,
und weich fällt der Schnee,
Herrgott, dank dir schön.

Der Pfarrer schaut noch vorbei, leise tritt er ein,
er bringt a Bonbonniere für die junge Frau,
man wird s' ihr dann nachher geben, "Vergeltsgott für den Schnaps",
der Pfarrer geht und flüstert zur Stuben hin an Segen.
Am Himmel wird's langsam rot,
Herrgott, das Kind is tot.

Wenn die Hexen tanzen im Wald,
wenn der Freitag am Dreizehnten fallt,
wenn ein Kind stirbt und vorher der Nachtvogel schreit,
dann is soweit, dann is soweit.

Der Pfarrer geht durchs Dorf, er kennt sich nicht recht aus,
a eigenartige Stimmung liegt in der Luft.
Die Männer sind ernst und schweigsam, ängstlich sind die Frauen,
sie sperren die Kinder in's Haus, die dürfen kein' Schneemann bauen.
Plötzlich wird's dem Pfarrer klar,
Herrgott, irgendwer is in Gefahr.

Später dann bei der Hebamm, da hocken ein paar beinand,
geheimnisvoll murmelnd, den Rosenkranz fest in der Hand.
Der Pfarrer steht plötzlich am Bahnhof, ein Koffer steht neben ihm,
er fährt auf drei Tag in die Stadt, zu sein' Bruder nach Wien.
Am Himmel dämmert's schon,
Herrgott, der Pfarrer fährt einfach davon.

Wenn die Hexen tanzen im Wald ...
Am nächsten Tag in der Früh, da treffen sie sich beim Wirt,
mit Mistgabeln, Sensen und Sicheln und leuchtenden Augen.
Sie singen Halleluja und wandern zu dem Haus,
wo der Dorftrottel grad blöd sei' Suppen sauft.
Die Hebamm schwingt's Kruzifix,
Herrgott, der Dorftrottel weiß noch nix.

Sie haben das Haus erreicht, die ersten Steine fliegen,
der Dorftrottel schreit nach dem Pfarrer, aber der is ja nicht da.
Sie zahn ihn auf die Wiesen, er weint wie ein kleines Kind,
sie haun ihn solang, bis ihm's Hirn aus der Nasen rinnt.
Nachher falln s' auf die Knie und tun beten,
dem Bauern sein Kind kann endlich den Himmel betreten.
Und weich fällt der Schnee,
Herrgott, dank dir schön.

Gehört auch  zu den Depri-Songs. Eine Ballade. Der Pearl-Jam-Text ist ungleich raffinierter. Aber den Song von Hirsch musst Du Dir mal anhören.

H.

Gast